“Think outside the box” ist sicher eines der häufiger benutzen Zitate, wenn es um Kreativität im Unternehmen geht. Untermauert wird das Zitat dann gerne auch mit der einen oder anderen Kreativitäts-Übung, bei der man z.B. 9 quadratisch angeordnete Punkte mit 4 geraden Linien verbinden soll, ohne denStift dabei abzusetzen. Auf den ersten Blick nicht ganz einfach, aber wenn man die “virtuelle Box” – welche durch diese Punkte dargestellt ist – durchbricht dann findet man eine Lösung. Ein gewisses kreatives Potenzial gehört sicher dazu, um bei solch einer Übung auf die Lösung zu kommen.
Die Frage ist ob dadurch die Kreativität oder das kreative Potenzial entscheidend gefordert werden? Selbstverständlich helfen solche Übungen das eigene Gehirn zu trainieren und evtl. auch Impulse zum Weiterdenken zu geben. Zu echter Problemlösung sind allerdings weitere Element erforderlich.
Was ist nun eigentlich gemeint mit dieser besagten “Box”, ausserhalb derer offenbar neuen Lösungen liegen?
Ich würde die Box definieren als die Beschränkungen des eigenen Denkens bzw. Denkansätze die ausserhalb der eigenen Gewohnheiten liegen. Das kann sich sowohl auf das Individuum beziehen, als auch auf eine Organisationseinheit. Denn auch innerhalb eines Unternehmens gibt es die “Box”. Hier ist sie ein fester Bestandteil der Kulturen in die das Unternehmen eingebunden ist.
Die “Kulturboxen” im Unternehmen
Jedes Unternehmen hat seine individuelle Unternehmenskultur. Diese kann wiederum definiert werden als die (teils) ungeschriebenen Regeln, Werte und Standards im Unternehmen an denen Alle mehr oder weniger ihr Verhalten im Unternehmen ausrichten. Nun ist Kultur aber ganz sicher nicht Eindimensional. Das wäre genauso wenn man behaupten würde es gäbe nur eine Art von Intelligenz. Kultur wird vielmehr durch ganz verschiedene Merkmale und deren Ausprägung bestimmt.
Nehmen wir als Beispiel die Kommunikationskultur im Unternehmen: Wie wird kommuniziert? Eher direkt und offen, oder ist der wichtigste Informationsweg die informelle Kommunikation oder auch der “Flurfunk”. Ein weiteres Beispiel ist die Fehlerkultur: Wie geht das Unternehmen mit Fehlern um? Geht es in erster Linie darum, gemachte Fehler dem Verursacher zuzuordnen oder darum, aus Fehlern neue Lösungen abzuleiten. Letzteres ist sicher auch einer der wichtigsten Bestandteile der Innovationskultur im Unternehmen.
Es liessen sich noch viele weitere Beispiele für Kulturausprägungen anführen, denn selbstverständlich sind die o.a. Kulturen wiederum eingeordnet in die Kultur der jeweiligen Branche, des gesellschaftlichen Umfelds etc. – In einem späteren Beitrag werde ich dieses Thema gerne noch einmal aufgreifen.
Momentan ist es nur wichtig, zu verstehen dass es im Unternehmen verschiedene Kulturen gibt, die wahrscheinlich für den Unternehmenskontext – ähnlich wie beim Individuum – den Bezugsrahmen des Denken und Handelns und damit die “Box” ganz grob definieren.
Ich schreibe ganz bewusst von Kulturen als Mehrzahl, denn in Unternehmen gibt es eben nicht nur die eine Unternehmenskultur, sondern nahezu jede Organisationseinheit(Team, Abteilung, Bereich etc.) hat ihre eigene Kultur und somit die eigene “Box”.
Nebenbei bemerkt erschwert diese Tatsache auch die Kommunikation und damit Prozesse innerhalb des Unternehmens und führt zu dem oft zitierten “Silodenken“.
Doch damit zurück zu unserer Eingangsforderung “Think outside the box”. Wenn also im Zitat implizit behaupten, dass viele neue Lösungen ausserhalb der Box liegen und wir nun festgestellt haben, dass die Boxen beim Individuum die Grenzen des eigenen Denkens und beim Unternehmen die Grenzen der Unternehmenskulturen darstellen, so heisst das im Umkehrschluss, dass wir versuchen müssen diese Grenzen (zunächst einmal) gedanklich zu durchbrechen.
Ab hier wird es unangenehm! Und warum?
Dieses Denken und die Lösungen auf die wir dann stossen befinden sich ja dann ausserhalb dessen, was wir derzeit als normal erachten und wo wir uns auch -meistens jedenfalls – ganz wohl fühlen. Das ist also ein Nachdenken über Dinge, über die wir eigentlich nicht Nachdenken wollen und es ist anstrengend.
Dieses Denken findet ausserhalb unserer Komfortzone statt. Dagegen ist die Eingangs angeführte Übung noch relativ angenehm.
Jedoch genau in diesem Bereich, in dem das Denken anstrengend wird und in dem wir uns momentan nicht sehr wohlfühlen, sind aber wahrscheinlich die Ideen zu den wirklich entscheidenden oder den disruptiven Innovationen zu finden. Das sind die Innovationen, die in der Lage sind, die Spielregeln und ganze Geschäftsmodelle zu verändern und wir hatten sie leider nicht auf dem Radar, weil sie einem Denken ausserhalb unserer Boxenentsprungen sind.
Also geht es darum, die Gebiete ausserhalb der Unternehmenskulturen, der eigenen Denkschranken zu erforschen. Dass dies nicht einfach ist und Energie erfordert, habe ich oben bereits dargestellt. Dies ist aber noch nicht alles. Haben wir dann “ausserhalb” tatsächlich neue Lösungen gefunden, dann geht es darum, diese neuen Ideen auch umzusetzen.
Und damit verlassen wir dann endgültig unsere bisherigen Komfortzonen., was unmittelbar die Frage nach Motivation, Rolle der Führungskräfte und der Innovationskultur im Unternehmen aufwirft – Viele weitere spannende Themen, über die ich gerne meine Erfahrungen in weiteren Beiträgen teile.