Nahezu täglich ist die Forderung nach Kreativität und kreativen Lösungen zu vernehmen und Kreativität gilt auch als wünschenswerte Eigenschaft für jeden Mitarbeiter. Problemlösungen und das Bearbeiten von Sonderfällen, die sich ja per Definition ausserhalb etablierter Prozessstrukturen finden, erfordern die Fähigkeit neu zu kombinieren, sich neue Lösungen auszudenken, zu improvisieren – oder kurz gesagt – Kreativität.
Kreativität zu klassifizieren ist schwierig und nur im jeweiligen Kontext möglich.
An 3 kurzen Beispiele sollen unterschiedliche Klassen von Kreativität verdeutlicht werden:
- Ein akutes Problem tritt auf:
Eine wichtige Produktionsmaschine fällt aus und ein erforderliches Ersatzteil ist nicht schnell verfügbar, so sind kreative Lösungen gefragt, um die Maschine provisorisch wieder in Gang zu setzen oder um die Produktion temporär so zu organisieren, dass der Gesamtprozess bzw. die Kundenbelieferung nicht gefährdet ist. - Verteidigung von Marktanteilen:
Wurde für das Kundenproblem von einem Wettbewerber eine bessere Lösung gefunden so besteht akuter Handlungsbedarf. Marktanteile beginnen sonst zu Schrumpfen, weil ein eigenes neues Produkt nicht schnell genug verfügbar ist.
Also muss kurzfristig mit kreativen Marketinglösungen oder schnellen Anpassungen des eigenen Produkts reagiert werden. (Nebenbei bemerkt: Eine Preissenkung würde ich in diesem Kontext nicht als kreativ beschreiben, sondern eher als die letzte Möglichkeit). - Neuentwicklung
Bei der Neuentwicklung von Produkte sind wiederum viele kreative Einzelleistungenzu erbbringen, um das neue Produkt von der ersten Idee, über Prototypen, bis hin zum Verkauf, erfolgreich am Markt zu platzieren. Die Bandbreite kreativer Ideen bezieht sich dabei auf erste Produktideen, die Produktionsmöglichkeiten, Verbesserung von Prototypen, bis hin zur Planung der Absatzkanäle.
Alle 3 genannten Beispiele erfordern eine Vielzahl von kreativen Leistungen um Hindernisse aus dem Weg zu räumen, Abläufe zu vereinfachen oder sogar um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Daher liegt es auf der Hand, dass kreatives Potenzial im Unternehmen gefördert und gut genutzt werden muss.
Dieser These wird kaum jemand widersprechen, denn Kreativität gilt als gut und nützlichund daher kann die mit der Forderung nach “mehr Kreativität” nahezu nichts falsch gemacht werden.
Dennoch gibt es ein Dilemma!
Eine „Kultur der Kreativität“ im Unternehmen zu schaffen, in der sich Ideen entwickeln können ist gar nicht so schwer. Kreativität entsteht durch Freiräume, intensive Kommunikation über Bereichsgrenzen hinweg, in Frage stellen von Vorhandenem, Nutzung von Diversität etc.
Nur, von Ideen alleine kann kein Unternehmen existieren
(es sei denn das explizite Geschäftsmodell besteht daraus Ideen zu verkaufen).
Irgendwann sind Entscheidungen erforderlich. um aus der Vielzahl der Möglichkeiten die richtige Idee zur Umsetzung auszuwählen. Es sind die Stärke und das Wissen erforderlich, eine gute Idee zur Realität werden zu lassen und ihr den Weg in den Markt zu ebnen.
Dabei werden zwar auch immer wieder gute Ideen gebraucht, aber die Merkmale der kreative Persönlichkeit müssen doch etwas in den Hintergrund treten, da zur Umsetzung andere Persönlichkeits- und Strukturmerkmale wichtiger sind.
Wie sollte denn z.B. je etwas umgesetzt werden können, wenn immer wieder alles von Neuem hinterfragt wird und immer neue Ideen hinzukommen. Das neue Produkt oder der neue Prozess würden in einer Art “kreativen Endlosschleife” stecken bleiben
Dies stellt aus meiner Sicht ein Dilemma der Kreativität dar. Wir brauchen Kreativität in einem gesunden Masse, um Ideen zu finden und auch um (täglich) auftretende Probleme zu lösen. Um aber letztlich die Ideen zu erfolgreicher Wirklichkeit werden zu lassen, sind wieder andere Stärken wie z.B. Disziplin, Durchsetzungsvermögen, ja sogar das fast schon kreativitätsfeindliche Arbeiten nach Standards erforderlich.
Wie schon im früheren Beitrag (Kreativität und Innovation) schon beschrieben , liegt der wichtige Unterschied zwischen Kreativität und Innovation in der Umsetzung.
Daher brauchen wir in den Unternehmen eine „Kultur der Innovation“, die es schafft, die teils widersprüchlichen Anforderungen zwischen Freiräumen und standardisiertem Arbeiten, Ideenentwicklung und Umsetzung, in einem gesunden Verhältnis zu etablieren.
Kreativität braucht Ruhephasen, in denen die erdachten Lösungen reifen können.